Krisen-Schalte: Merkel und Söder sprechen mit Landräten und OBs

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Manche sehen bereits ein Vorzeichen für die Kanzlerkandidaten-Frage, andere eine Revanche für CDU-Chef Armin Laschet. Am Freitag schalten Kanzlerin Merkel und CSU-Chef Söder sich mit den Landräten und Oberbürgermeistern im Freistaat zusammen.

Klaus Stöttner: Eine Frage des Mutes – So müssen die Abgeordneten vor Ort vertreten, was sie intern nur noch zur Kenntnis nehmen dürfen. Dass das ihrer Überzeugungskraft nicht unbedingt zuträglich ist, hat der Rosenheimer CSU-Abgeordnete Klaus Stöttner im Landtag in den Satz gepackt, es mache “keine Freude, in dieser Situation Entscheidungen mitzutragen, die draußen oft schwierig zu akzeptieren sind”. Die Regierung müsse nun “auf Perspektive gehen”. Perspektive, Stufenplan, feste Inzidenzwerte sind Begriffe, die Markus Söder seit Monaten meidet.

Manchmal reicht ein Zufall, ein zeitliches Zusammentreffen. So erklärte am Montag etwas überraschend Armin Laschet, CDU-Chef, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und Kanzlerkandidaten-Anwärter, er halte in der Diskussion um die Corona-Maßnahmen die Inzidenzwerte nicht für ausschlaggebend.

Vor ein paar Tagen hatte das noch anders geklungen. Am Dienstag folgte Markus Söder, CSU-Chef, bayerischer Ministerpräsident und vielleicht Kanzlerkandidaten-Anwärter. Vor allem aber Anhänger von Inzidenzwerten. Stolz verkündete Söder, Bundeskanzlerin Angela Merkel werde am Freitag mit ihm und allen bayerischen Landräten und Oberbürgermeistern eine Videokonferenz abhalten. Das lässt sich als Retourkutsche Söders an Laschet interpretieren und als spontane Schützenhilfe der Kanzlerin für den obersten Bayern im Rennen um das Kanzleramt.

Merkel allerdings hat sich bisher aus dem Wettlauf komplett herausgehalten, und nichts deutet tatsächlich darauf hin, dass sie das ändern wollte. Die Videokonferenz wiederum hat Söder schon lange auf dem Plan, Merkel bereits vor einiger Zeit angefragt, ob sie dabei sein könne, und schon vor Tagen ihre Zusage bekommen. Da wusste noch niemand, dass Armin Laschet wieder einmal seinen Kurs korrigieren könnte. Hätte Laschet die Idee gehabt, Merkel hätte sich ihm nicht verweigert. So wie sie im Sommer erst zu Söders pompöser Selbstinszenierung auf Herrenchiemsee gereist war.

Und im Spätsommer dann zu Laschets bewusst bescheideneren Auftritt vor der beeindruckenden Zeche Zollverein in Essen. Für Söder wird es dennoch weit mehr als ein Arbeitsgespräch, nicht nur, weil 71 Landräte und 25 Oberbürgermeister aller Couleur zugeschaltet sein werden und neben Angela Merkel auch noch Gesundheitsminister Jens Spahn teilnimmt. Zwei Stunden sind dafür reserviert am Freitag Vormittag; Söder feiert Merkels Auftritt schon vorab als große Geste: “Die Kanzlerin zeigt ein offenes Ohr auch für die Basis.” Einen “offenen Meinungsaustausch” erwartet der Nürnberger, weil “alle Meinungen gewichtet werden müssen.” Ein paar dieser Meinungen kennt er bereits.

Vor allem aus Oberbayern und Schwaben wächst der Druck auf den bayerischen Ministerpräsidenten. Dort leben viele vom Tourismus; nach einem geschäftslosen Winter im Lockdown sehen sich etliche dem Untergang geweiht. Regelmäßig gehen mittlerweile Brandbriefe in der Staatskanzlei ein. Bürgermeister aus mehreren Alpenlandkreisen drängen darauf, es müsse “sowohl kurz- als auch mittelfristig” eine Perspektive geben, “wie der Lockdown zu einem Ende geführt werden kann”.

Für die Autoren ist klar, und nicht nur für sie, dass es ernsthaft “eine Lockerung aller Betriebe in der Beherbergung, Gastronomie und Freizeitwirtschaft zu Ostern 2021” geben müsse. Fünf der sieben Unterzeichner haben ein CSU-Parteibuch. Oder Franz Pschierer, Chef der einflussreichen Mittelstandsunion in der CSU und einst Wirtschaftsminister in Bayern. “Harten Lockdown beenden – verantwortungsvolle Öffnungsstrategie jetzt!” hat er ein Papier überschrieben und veröffentlicht, in dem er fordert, der Lockdown müsse “schnellstmöglich” abgestuft beendet werden.

Und zwar komplett. Es sind Zwischenrufe, die CSU-Chef Markus Söder im Moment nicht gebrauchen kann. Denn auch in seiner Landtagsfraktion grollt es vernehmlich. Dort lassen sich Abgeordnete, wenn auch anonym mit Kritik an Söder und seinem Krisenmanagement zitieren. Man fühle sich “als Fraktion nicht ernst genug genommen”, heißt es. Söder informiere zwar, aber ein Mitspracherecht gebe es nicht mehr.

Eine Frage des Mutes

So müssen die Abgeordneten vor Ort vertreten, was sie intern nur noch zur Kenntnis nehmen dürfen. Dass das ihrer Überzeugungskraft nicht unbedingt zuträglich ist, hat der Rosenheimer CSU-Abgeordnete Klaus Stöttner im Landtag in den Satz gepackt, es mache “keine Freude, in dieser Situation Entscheidungen mitzutragen, die draußen oft schwierig zu akzeptieren sind”. Die Regierung müsse nun “auf Perspektive gehen”. Perspektive, Stufenplan, feste Inzidenzwerte sind Begriffe, die Markus Söder seit Monaten meidet.

Er will sich nicht festlegen lassen, schiebt notfalls vage Angedeutetes in die weitere Zukunft. Dass er dabei mit der Kanzlerin und dem Bundesgesundheitsminister auf einer Linie liegt, dürfte ihm am Freitag in die Karten spielen. Merkel, so der Plan, soll sich den Räten und OBs zunächst erklären. Wer danach noch den Mut zum Angriff aufbringt, wird sich zeigen. Es habe schon viele gegeben, heißt es in der CSU, die zornbebend gen München gefahren waren und spätestens vor der mächtigen Tür der Staatskanzlei zusammengeschrumpft seien.


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